🔴 "Sie hat nichts gespürt..."

Geschichte

Beim Schlendern auf dem Weg zur Ewigkeit trifft sie Jesus.

Sie gehen ein Stück des Weges zusammen, in ein Gespräch vertieft über das Leben, den Glauben, die kleinen und die großen Dinge. Fast beiläufig deutet Er auf eine schmale Öffnung in der alabasterweißen Mauer, die den Weg säumt. Sie ist so schmal, dass kaum eine Kinderhand hindurchpassen würde, ihre Kanten glatt wie polierter Marmor.

„Siehst du diese kleine Pforte dort? Das ist der Eingang zum Himmel."

Aufmunternd sieht Er sie an.

Sie bleibt stehen, betrachtet die winzige Öffnung. Ihre Schultern sind zu breit, ihr Körper zu massiv. Selbst wenn sie die Luft anhielte, wäre es unmöglich hindurchzukommen. Ein nachdenkliches Lächeln huscht über ihr Gesicht, als sie sich an die Worte aus ihrer Kindheit erinnert: Von Kamelen und Nadelöhren. Nun steht sie selbst davor, und plötzlich versteht sie die tiefere Bedeutung.

„Ich bin zu groß dafür", sagt sie leise, mehr zu sich selbst als zu Ihm.

Ihre Hand streicht unbewusst über die glatte Mauer neben der Öffnung. Sie öffnet den Mund, schließt ihn wieder. Ein nervöses Lächeln huscht über ihr Gesicht.

Sie wendet sich Jesus zu, sucht in Seinem Gesicht nach einem Zeichen, dass Er scherzt.

Er hält ihrem Blick stand. In Seinen Augen liegt diese unendliche Geduld, die ihr so vertraut ist - und noch etwas anderes, das sie nicht zu deuten wagt.

„Ich hatte mir das... anders vorgestellt", sagt sie schließlich. „Majestätischer vielleicht. Größer."

Er nickt verstehend: „Die meisten suchen nach breiten Toren und prächtigen Brücken." Sanft deutet Er wieder auf die schmale Öffnung. „Aber der Weg ins Reich Gottes führt durch diese eine enge Pforte."

Wieder lächelt Er ihr leise zu.

Sie schaut Ihn an, ein verlegenes Lächeln auf den Lippen. „Natürlich kenne ich die Stelle aus der Schrift", sagt sie. „Von der engen Pforte und dem schmalen Weg. Ich habe sie oft genug gelesen, gepredigt, anderen erklärt..." Ihre Stimme verliert sich, während ihr Blick wieder zu der winzigen Öffnung wandert.

„Aber so eng?", flüstert sie.

Die Realität vor ihr scheint plötzlich die frommen Worte zu verhöhnen, die sie all die Jahre so leichtfertig ausgesprochen hat.

Jesus nickt, Seine Augen voller Verständnis. „Es ist ein Unterschied", sagt Er sanft, „ob man von der engen Pforte predigt - oder davor steht."

Die Wahrheit Seiner Worte trifft sie unvermittelt. All die Jahre hatte sie anderen den Weg erklärt, hatte vom schmalen Pfad gesprochen, als wäre es eine simple Metapher. Nun steht sie selbst hier, und zum ersten Mal begreift sie die erschütternde Realität dieser Worte.

Eine Zeit lang stehen sie schweigend vor der Öffnung. Die Erkenntnis ihrer eigenen “Größe”, ihrer Unzulänglichkeit, lastet schwer auf ihr.

Schließlich hebt sie den Kopf. „Und jetzt?" Ihre Stimme ist kaum mehr als ein Flüstern. Sie verschränkt die Arme vor der Brust, eine unbewusste Schutzgeste.

Jesus tritt näher. Seine Gegenwart umhüllt sie wie ein warmer Windhauch, und ihre verschränkten Arme öffnen sich ein wenig.

„Du versuchst die ganze Zeit, dich selbst klein genug zu machen", sagt Er sanft. „Aber darum geht es nicht."

In Seinem Blick liegt nichts als Liebe.

„Es geht um Gnade", sagt Er leise.

Sie hebt den Blick, begegnet Seinen Augen. Etwas in ihr will widersprechen, will festhalten an dem, was sie zu wissen glaubt. Doch in Seinem Blick liegt eine Wahrheit, die tiefer reicht als alle ihre Gewissheiten.

Er streckt Seine Hand aus, wortlos, wartend. In dieser stillen Geste liegt die größte aller Fragen.

Sie spürt, wie ihr Widerstand schmilzt. Nach einem letzten, kurzen Zögern legt sie ihre Hand in Seine. Schließt die Augen und überlässt sich Ihm.

Der erste Schritt kostet sie alle Überwindung. Doch dann - sie spürt es mehr als dass sie es begreift - beginnt sich ihr Atem zu verändern. Wird tiefer. Leichter. Als würde eine Last von ihrer Brust genommen, die sie schon so lange trägt, dass sie ihr Gewicht vergessen hat.

Zwischen den Atemzügen löst sich etwas. Schicht um Schicht. Wie Blätter im Herbstwind. Wie Nebel in der Morgensonne.

Was einst Last war, wird nun leicht.

Was sie gefangen hielt, verliert seine Macht.

Was sie von Gott noch trennt, das fällt jetzt ab.

Als sie die Pforte erreicht haben, ist sie leicht wie eine Feder, durchscheinend wie ein sanfter Nebel. Das einzige Greifbare ist die Hand Jesu, die sie sanft umfasst.

Gemeinsam gehen sie hindurch.

Der letzte Schritt ist wie ein sanftes Ausatmen, wie ein Loslassen nach einem langen, langen Tag...

Der Arzt wird sagen: „Sie ist friedlich eingeschlafen. Sie hat nichts gespürt."

Um das JesusJournal besser zu machen, brauche ich deine Rückmeldung. Was ist gut, was nicht, was wünscht du dir? Es reicht ein kleiner Eindruck mit ein paar Worten, trau dich und schreib mir kurz (es öffnet sich ein kleines Formular)

Hab’ einen gesegneten Tag
Jörg “wie beantwortest du Jesu Frage?“ Peters