- Jesusjournal
- Posts
- đź”´ Finn Weber - ein hoffnungloser Fall?
đź”´ Finn Weber - ein hoffnungloser Fall?
Aussichtslos und hoffnungslos ist nicht dasselbe
Sei gesegnet, du Kind Gottes. Du liest das Jesusjournal, den Newsletter, der uns immer wieder daran erinnern möchte, dass wir uns andere Menschen auch zurechtlieben können. Das können wir, oder?
Heute:
Geschichte: Finn Weber - ein hoffnungsloser Fall?
Geschichte
Finn Weber - ein hoffnungsloser Fall?
Frau Schmidt, die Schulleiterin, schiebt die Akte über den Schreibtisch. Ihre Stimme klingt erschöpft.
"Drei Schulverweise in zwei Jahren, fĂĽnf Lehrer am Ende ihrer Nerven und eine alleinerziehende Mutter, die nicht mehr weiterweiĂź."
Tobias Taler nimmt die Akte in die Hand, aber er öffnet sie nicht. Stattdessen schaut er aus dem Fenster des Büros auf den Pausenhof, wo ein kleiner Junge alleine auf einer Bank sitzt. Sein zu großer Hoodie verschluckt ihn fast, während er mit gesenktem Kopf auf sein Smartphone starrt.
"Das ist er", seufzt Frau Schmidt. "Hochintelligent, aber..." Sie macht eine hilflose Handbewegung. "Letzte Woche hat er den Kunstunterricht komplett gesprengt. Hat alle Pinsel durch den Raum geworfen und dann den Wasserhahn aufgedreht, bis alles unter Wasser stand."
Tobias beobachtet, wie zwei andere Kinder an Finn vorbeigehen und einen weiten Bogen um ihn machen. Der Junge tut so, als wĂĽrde er es nicht bemerken, aber seine Schultern spannen sich merklich an.
"Wir haben alles versucht", fährt die Schulleiterin fort. "Nachsitzen, Elterngespräche, sogar der Schulpsychologe. Und Herr Müller wollte mit harter Hand..." Sie schüttelt den Kopf. "Das hat alles nur noch schlimmer gemacht."
Ein leichtes Lächeln huscht über Tobias’ Gesicht. “Vielleicht braucht es einen anderen Weg.”
Noch am selben Tag sitzt Tobias im Lehrerzimmer und blättert durch Finns Akte. Die Einträge zeichnen eine Geschichte des Scheiterns:
"Erneute Störung im Unterricht - Nachsitzen angeordnet" - Der Eintrag ist von Herrn Müller, dem Mathelehrer.
“Belohnungssystem ohne Erfolg - verweigert jede Mitarbeit” - Frau König, die Vertrauenslehrerin, hat es mit einem System probiert, bei dem es Sticker für gutes Benehmen und Punkteabzug bei Störungen gibt.
"Therapiegespräch abgebrochen - Patient zeigt keine Kooperation" - Dr. Bunz, der Schulpsychologe, hat nach drei Gesprächen aufgegeben.
"Letzte Verwarnung ausgesprochen - Androhung des Schulverweises" - Dieser Eintrag stammt von Frau Schmidt. Tobias sieht, dass sie ihn erst heute Morgen kurz vor ihrem Gespräch gemacht hat.
Während er liest, hört er seine Kollegen im Nebenzimmer:
"Mit dem Jungen ist nicht zu arbeiten", donnert Herr MĂĽllers Stimme durch die Wand. "Absolute Sturheit! Der kann rechnen, aber er will nicht!"
“Mein System hat sich schon so oft bewährt, aber bei Finn ist es völlig wirkungslos”, klagt Frau König. “Das habe ich noch nie erlebt. Was ist nur mit ihm los?”
"Klassischer Fall von..." Dr. Bunz verstummt, als Tobias den Raum betritt.
Tobias nimmt sich einen Kaffee und nickt seinen Kollegen zu.
Während er kurz darauf wieder die Akte durchblättert, wandert sein Blick zu dem kleinen Holzkreuz an seiner Schlüsselkette. In den vielen Jahren als Lehrer hatte er gelernt, dass es in vielen Fällen nicht die großen Gesten sind, die Veränderung bringen. Manchmal braucht es einfach jemanden, der bereit ist, einen Schritt zurückzutreten und einen Menschen dort zu unterstützen, wo er steht.
"Ab nächster Woche übernehmen Sie die 5b in Mathematik", hatte Frau Schmidt am Ende des Gesprächs erklärt. "Herr Müller hat um Versetzung in eine andere Klasse gebeten." Sie seufzt. "Vielleicht bringt ein Lehrerwechsel ja etwas."
Tobias streicht nachdenklich ĂĽber das Kreuz.
"Was würdest du tun?", flüstert er und denkt an den, der niemanden aufgibt. Der jeden Menschen als wertvoll ansieht, unabhängig von Leistung oder Verhalten, der jeden Menschen liebt.
Ein Lächeln huscht über sein Gesicht. Er kennt die Antwort bereits: Dieser Junge braucht keinen weiteren Menschen, der ihm sagt, was er falsch macht. Er braucht jemanden, der sein Potenzial sieht und ihm die Freiheit gibt, es auf seine eigene Weise zu entfalten.
Er braucht jemanden, der ihn liebt, so wie er ist und ihm zeigt, dass er nicht so bleiben muss.
Eine Woche später steht er zehn Minuten vor Unterrichtsbeginn an der Tür vor seiner neuen Matheklasse.
Als Finn mit gesenktem Kopf und hochgezogenen Schultern den Gang entlangschlurft, lässt Tobias ihn einfach vorbeigehen. Keine aufgesetzte Begrüßung, kein forciertes Lächeln. Nur ein ruhiges "Guten Morgen", als würde er einen gleichberechtigten Erwachsenen begrüßen.
Im Unterricht fällt Tobias auf, wie Finn heimlich mitrechnet. Während die anderen Schüler noch grübeln, hat er die Aufgaben bereits gelöst. Seine Finger zucken, wenn Mitschüler an der Tafel Fehler machen, aber er schweigt.
Nach drei Tagen findet Tobias einen zerknitterten Zettel auf seinem Pult. Darauf steht in krakeliger Schrift die richtige Lösung zu einer besonders kniffligen Aufgabe, die in der Klasse für Diskussionen gesorgt hatte. Keine Unterschrift.
Tobias legt den Zettel behutsam in seine Mappe.
Am nächsten Tag teilt er Arbeitsblätter aus. Bei Finn bleibt er einen Moment länger stehen und legt ihm zwei Versionen hin - eine mit den regulären Aufgaben und darunter, fast beiläufig, ein Blatt mit anspruchsvolleren Mathematik-Rätseln.
"Falls dir langweilig wird," sagt er leise und geht weiter.
Am Ende der Stunde gibt Finn beide Blätter ab - das normale Arbeitsblatt unberührt, das Rätselblatt vollständig und fehlerfrei gelöst. Tobias nimmt sie kommentarlos entgegen. Später, als er die Arbeitsblätter der Klasse durchsieht, schreibt er unter Finns Rätselblatt nur einen kurzen Satz: "Beeindruckende Lösungswege." Auf das leere Arbeitsblatt macht er keinen roten Strich, kein "Ungenügend". Er heftet es einfach zu den anderen in seine Mappe.
Am nächsten Tag liegt wieder ein Rätselblatt auf Finns Tisch. Diesmal zusammen mit einem Zettel: "Die normalen Aufgaben darfst du auch auf deine Art lösen. Hauptsache, der Weg ist erkennbar."
In der nächsten Woche fehlt Finn am Montag. Als er am Dienstag wieder da ist, legt Tobias ihm wortlos die versäumten Aufgaben hin - wieder beide Versionen. Ganz unten auf dem Rätselblatt steht in seiner ordentlichen Handschrift: "Schön, dass du wieder da bist."
Am Ende der Stunde bleibt Finn als Letzter sitzen. Er kramt in seiner Tasche und schiebt Tobias wortlos ein zerknittertes Blatt über den Tisch - alle Aufgaben gelöst, sogar die normalen.
Als Tobias das Blatt entgegennimmt, hebt Finn zum ersten Mal den Blick. Nur fĂĽr einen kurzen Moment treffen sich ihre Augen, dann schaut er schnell wieder weg.
Beim Hinausgehen dreht er sich noch einmal um und lächelt kurz.
Gestern schrieb mir ein Leser, dass er gerne persönliche Zeugnisse von Menschen lesen möchte, die Jesus in ihrem Alltag erlebt haben. Er hat Recht - solche Geschichten sind besonders ermutigend und inspirierend.
Ich selbst habe einige solcher Erlebnisse. Das eine oder andere habe ich schon in diesem Newsletter geschrieben, anderes werde ich noch mit euch teilen.
Doch was ist deine Geschichte? Was hast du mit Gott erlebt? Du musst gar nicht weit zurückschauen - wenn ich diese Frage in unserem Hauskreis stelle, gibt es immer jemanden, der etwas zu erzählen hat.
Wenn du dein Zeugnis mit uns teilen möchtest, schreib mir gerne eine E-Mail oder nutze dieses kurze Formular. Ich freue mich darauf, deine Geschichte in diesem Newsletter weiterzugeben.
Jörg “Geschichten-über-Jesus-Junkie“ Peters