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🔴 Das Gesicht des Judas
Eine Geschichte über Bitterkeit und Vergebung
Sei gesegnet, du Kind Gottes. Du liest das Jesusjournal, den Newsletter, der dir heute eine Geschichte erzählt, von der Netflix sagen würde: “Beruht auf eine wahren Begebenheit.”
In dieser Ausgabe:
Geschichte: Das Gesicht des Judas
Geschichte
Das Gesicht des Judas
Mailand, Ende des 15. Jahrhunderts.
Im Dominikanerkloster Santa Maria delle Grazie herrscht gespannte Atmosphäre. Leonardo da Vinci, einer der gefragtesten Künstler seiner Zeit, arbeitet an einem Auftrag, der die Kunstwelt nachhaltig beeinflussen wird: Das letzte Abendmahl - ein monumentales Wandgemälde, das Jesus und seine Jünger beim letzten gemeinsamen Mahl zeigt.
Doch was die Auftraggeber nicht wissen: In da Vincis Herz gedeiht eine bittere Wurzel, Rivalität und Abneigung gegenüber einem anderen Künstler.
Erst vor wenigen Tagen ist er mit ihm aneinandergeraten. Der Grund des Streits? Heute weiß er selbst kaum noch, worum es eigentlich ging - vermutlich eine dieser Lappalien, die im Zorn zu großen Herausforderungen werden.
Doch der Zwist nagt an ihm, lässt ihm keine Ruhe. Während er auf dem Gerüst vor der riesigen Wandfläche steht, entwickelt sich in ihm ein düsterer Plan. Mit jedem Pinselstrich wird er deutlicher: Er wird seinem Kontrahenten einen Platz in diesem Gemälde geben... und ausgerechnet in einem Werk, das die größte Liebe darstellen soll, will er seinen größten Hass verewigen…
...und zwar als Judas, den Verräter.
Seine Hand verharrt einen Moment über der Wand, der Pinsel zittert leicht. Was er vorhat, wird nur schwer rückgängig zu machen sein. Ein düsteres Lächeln huscht über seine Lippen, als er den ersten Strich setzt.
Pinselstrich um Pinselstrich enthüllt sich das Gesicht des Judas auf der gewaltigen Wandfläche - jener Jünger, der seinen Meister mit einem Kuss verriet. In den Augenwinkeln lässt er diese charakteristische Überheblichkeit durchscheinen, um die Mundwinkel herum diese unverkennbare Härte. Die Ähnlichkeit ist unverkennbar - sein Widersacher, für alle Zeiten gebrandmarkt als der Mann, der Jesus verriet.
Es dauert nicht lange, bis sich die Nachricht in den engen Gassen Mailands verbreitet. Die Menschen tuscheln, zeigen mit Fingern auf seinen Kontrahenten. Da Vinci spürt eine düstere Befriedigung, wenn er die Blicke der Leute sieht.
Doch dann kommt er zu dem Teil des Gemäldes, vor dem er insgeheim die größte Ehrfurcht hat: das Antlitz Christi.
Wochenlang ringt da Vinci mit diesem Gesicht. Der beißende Geruch der Farbpigmente vermischt sich mit dem süßlichen Duft von Weihrauch, während er wieder und wieder mit zitternder Hand den Pinsel ansetzt. Schweißperlen rinnen ihm über die Stirn, sein Atem ist flach, und das gedämpfte Gemurmel der betenden Mönche im Hintergrund scheint ihn zu verhöhnen.
Dutzende zerknüllte Skizzen häufen sich in seiner Werkstatt. Nachts wälzt er sich im Bett, geplagt von dem Gedanken, dass ihm zum ersten Mal in seinem Leben ein Porträt misslingt. Er erstellt eine Studie nach der nächsten, experimentiert mit verschiedenen Techniken - doch jeder Versuch endet in Frustration. Seine sonst so sichere Künstlerhand scheint wie gelähmt.
In der Stille seiner Werkstatt, umgeben von verworfenen Skizzen, starrt er auf seine zitternden Hände. Diese Hände, die sonst jeden Strich beherrschen, versagen ihm gerade jetzt den Dienst. Was ist es, das ihn blockiert?
In langen Nächten, zwischen verzweifeltem Gebet und quälenden Selbstzweifeln, sucht er nach einer Antwort.
Eines Morgens kniet er erschöpft vor dem unfertigen Werk. Seine Augen wandern über die Gesichter der Jünger, verweilen auf dem höhnischen Antlitz des Judas - seinem Rachewerk. Unvermittelt bricht das frühe Morgenlicht durch die Fenster. In diesem goldenen Licht scheinen die Gesichtszüge seines Widersachers zu tanzen, transformieren sich von hasserfüllter Karikatur zu etwas zutiefst Menschlichem - einem Spiegel seiner eigenen gefallenen Natur.
Die Erkenntnis trifft ihn mit solcher Wucht, dass ihm der Atem stockt:
Wie kann er es wagen, das Antlitz der bedingungslosen Liebe und Vergebung malen zu wollen, während sein eigenes Herz von Hass und Rachsucht vergiftet ist?
Seine Hände zittern, als er neue Farbpigmente mischt. Jeder Pinselstrich über das Gesicht des Judas fühlt sich an wie das Wegwischen einer Sünde. Schicht um Schicht verschwindet die Ähnlichkeit zu seinem Rivalen, bis nur noch ein namenloses Antlitz der Schuld zurückbleibt - keine persönliche Verdammung mehr, sondern ein Spiegel menschlicher Schwäche.
Erst jetzt, mit einem gereinigten Herzen, nähert er sich erneut dem Antlitz Christi.
Seine Hand ist ruhig, sein Geist ist klar und fokussiert. Was in den folgenden Tagen unter seinen Händen entsteht - diese Augen voller zeitloser Güte, diese Züge unendlichen Verstehens - wird die Menschen noch Jahrhunderte später tief berühren.
Da Vinci erschafft nicht nur ein Meisterwerk - er lernt eine ewige Lektion über die befreiende Kraft der Vergebung.
Es ist bekannt, dass das Verhältnis von Leonardo da Vinci und Michelangelo von Rivalität und gegenseitiger Abneigung geprägt war. Außerdem gab es während der Arbeiten am “Abendmahl” Konflikte mit dem Prior des Klosters Santa Maria delle Grazie, der Leonardo drängte, schneller zu arbeiten. Dennoch ist diese Geschichte rein hypothetisch und historisch nicht belegt.
Danke, dass du diese Geschichte gelesen hast.
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Hab’ einen gesegneten Tag
Jörg “sei auf der Hut vor Bitterkeit“ Peters