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🔴 Die erste Geige
Geschichte
Jesus sagt: “Wer sich an sein Leben klammert, der wird es verlieren. Wer aber sein Leben für mich aufgibt, der wird es für immer gewinnen.”
Michael kämpft um jede Note.
Die Worte seines ersten Lehrers hallen auch nach zwanzig Jahren noch nach: "Talent allein reicht nicht, Michael. Nur wer jeden einzelnen Ton beherrscht, wird jemals erste Geige spielen." Er war dreizehn gewesen, als er beschloss, dass "gut" niemals gut genug sein würde.
Denn die erste Geige, das war schon immer das Einzige, das für ihn in Frage kommt.
Tag für Tag feilte er am Solopart, bis seine Fingerspitzen taub wurden und die Saiten Furchen in seine Haut schnitten. Seine Kollegen im Orchester waren für ihn nicht mehr als Statisten auf seiner Bühne - stumme Schatten im Glanz seiner ersehnten Brillanz.
Irgendwann hatte er es dann geschafft.
Als der neue Dirigent kommt, ist er skeptisch. "Ich weiß, wie Beethoven klingen muss," murmelt er.
Doch die Proben sind anders als bisher. Keine scharfen Zurechtweisungen, kein Augenverdrehen. Stattdessen scheint der Dirigent zu lauschen, immerfort, als würde er jeden einzelnen Musiker hören wollen.
“Spielen Sie es so, wie Sie es fühlen”, sagt er oft. “Geben Sie sich der Musik hin.”
Michael schnaubt über so viel Schwäche. Doch er merkt, wie sich das Orchester verändert. Die junge Flötistin, sonst so schüchtern, beginnt zu strahlen. Der alte Cellist findet neue Kraft. Und sogar der unsichere Hornist wagt sich aus seiner Deckung.
“Pure Zeitverschwendung”, murmelt Michael. “Das sind alles Zweit- und Drittbesetzungen.” Und doch spürt er, dass die Musik besser wird. Harmonischer. Als würde alles zueinanderfinden.
Nach drei Monaten kommt das erste Konzert. Michaels Finger fliegen über die Saiten - perfekt, virtuos, brillant wie immer. Doch mit jedem Bogenstrich wächst in ihm eine unerklärliche Unruhe. Seine sonst so vertraute Geige hört sich fremd an, schneidet durch die Harmonie des Orchesters. Wie ein kantiger Stein in einem fließenden Bach.
Er spielt lauter, dominanter, will die anderen übertönen. Schweiß rinnt ihm über die Stirn. Die zweite Geige neben ihm rückt unmerklich etwas weg. Der Cellist verliert den Einsatz.
Michaels Finger fliegen über die Saiten, aber die Musik zerfällt.
Dann, mitten in seiner Solopassage, trifft ihn der Blick des Dirigenten. Nicht strafend. Nicht wütend. Nur unendlich traurig. Der Blick trifft ihn bis ins Mark. Zum ersten Mal wankt seine Gewissheit.
Nach dem Konzert sitzt er allein im leeren Saal. Das Licht der Notenpulte wirft lange Schatten. Seine Finger tasten über das glatte Holz seiner Geige, die sich zum ersten Mal fremd anfühlt unter seiner Berührung.
Auf seinem Stuhl liegt die Partitur. Seine Solopassagen - durchgestrichen. Nicht wütend, nicht heftig. Nur ein stiller, klarer Strich durch seinen Stolz.
"Sie spielen brillant, Michael", hatte der Dirigent gesagt. "Aber Sie hören nicht. Sie wollen nicht vertrauen."
Michael starrt auf die Partitur. Seine Finger zittern. Er will aufbegehren, will seine Brillanz verteidigen. Doch zum ersten Mal in seinem Leben hört er die Stille zwischen den Noten.
Und in dieser Stille beginnt er zu verstehen.
Drei Wochen später.
Michael lässt den Bogen über die Saiten gleiten, ganz ohne Anstrengung. Es ist, als würde die Musik ihn tragen. Seine Geige verschmilzt mit dem Klang des Cellos, tanzt mit den Holzbläsern, wird getragen vom sanften Puls der Pauke.
Er muss nicht mehr kämpfen, nicht mehr beweisen, wie gut er ist. Zum ersten Mal seit Jahren fühlt er sich wirklich frei.
Der Dirigent lächelt, und Michael spürt eine tiefe Dankbarkeit.
Er kann sich jetzt selbst vergessen.
Was zählt, ist nur die Musik.
Weder Eigennutz noch Streben nach Ehre sollen euer Handeln bestimmen. Im Gegenteil: Seid bescheiden und achtet den anderen mehr als euch selbst. Denkt nicht an euren eigenen Vorteil. Jeder von euch soll das Wohl des anderen im Auge haben.
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Hab’ einen gesegneten Tag
Jörg “Erste Geige ist auch immer Stress“ Peters