🔴 Der wichtigste Job der Welt

Geschichte

„Und was machen Sie so?", fragt die ältere Dame in der Büroküche, während sie ihren Teebeutel schwenkt.

„Ich bin Unternehmensberater", antworte ich und versuche, nicht zu sehr zu strahlen. Mein erster Tag hier, und es fühlt sich an wie ein Traum. Die gläsernen Bürotürme. Die Menschen in maßgeschneiderten Anzügen. Der Blick über die Stadt.

"Aha." Sie lächelt, während sie ihre Reinigungsutensilien zur Seite stellt. "Was genau beraten Sie?"

„Naja", ich nehme mir einen Pausenkeks, „im Grunde helfen wir Firmen, besser zu werden. Effizienter. Erfolgreicher." Ich lächle. „Wissen Sie, als Christ sehe ich das als echte Berufung. Jesus sagt ja, wir sollen Salz und Licht sein. Und wo kann man mehr bewirken als ganz oben? Da, wo die wichtigen Entscheidungen getroffen werden?"

Die Putzfrau mustert mich über ihre Teetasse hinweg. „Ganz oben, ja?" Ein merkwürdiges Lächeln huscht über ihr Gesicht. „Na dann, Herr...?"

„Weber. Jonas Weber."

„Dann wünsche ich Ihnen viel Erfolg dabei, Herr Weber." Sie wendet sich zum Gehen, dreht sich aber noch einmal um. "Wenn Sie mal sehen wollen, wie's hier wirklich läuft - ich fang um fünf an. Können ja mal zusammen durchs Haus gehen."

Ich lache höflich. Nette Frau, aber sie hat offensichtlich keine Ahnung. In sechs Monaten, spätestens in einem Jahr, werde ich hier schon im mittleren Management sein. In zwei Jahren Team-Leiter. Und dann... nun, der Himmel ist die Grenze, oder?

Mein Smartphone vibriert. Die erste Team-Besprechung. Zeit, die Welt zu verändern.

Der Konferenzraum ist gut gefüllt. Zehn Gesichter wenden sich mir zu. Ein älterer Herr mit graumeliertem Haar deutet auf einen freien Stuhl. „Ah, unser Neuer. Lassen Sie uns eine kurze Vorstellungsrunde machen. Ich bin Michael Steinbach, der Teamleiter."

Während die anderen ihre Namen nennen, fällt mir ein Mann Mitte dreißig auf: Thomas Berger. Er trägt als einziger keine Krawatte, sondern ein dezentes Holzkreuz an einer Lederkette. Als ich an der Reihe bin, streiche ich nervös über meinen kleinen Kreuz-Anstecker.

„Jonas Weber, frisch von der Uni. Ich freue mich sehr auf die Zusammenarbeit hier und hoffe, dass ich..." – ich zögere kurz, wage es dann aber doch – „...dass ich als Christ einen positiven Unterschied machen kann."

Thomas' Augenbrauen heben sich leicht, ein angedeutetes Lächeln huscht über sein Gesicht. Ein paar andere tauschen Blicke aus, aber Steinbach nickt nur professionell.

„Also", beginnt er, „heute geht es um das Steinbeiss-Projekt. Sandra, wie ist der aktuelle Stand?"

Eine Frau Mitte dreißig mit müden Augen berichtet über Projektphasen und Meilensteine. Ich rutsche unruhig auf meinem Stuhl hin und her. In ihrer Analyse hat sie einen wichtigen Punkt übersehen. Das ist meine Chance! Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie Thomas leicht den Kopf schüttelt, aber ich ignoriere das Warnsignal.

„Entschuldigung", unterbreche ich, „aber haben Sie die Quartalszahlen von 2024 berücksichtigt? Ich habe eine interessante Analyse gemacht..." Ich klappe meinen Laptop auf.

Steinbach hebt die Hand. „Moment, Herr Weber. Sandra ist noch nicht fertig."

„Aber ich denke, das ist wichtig für..."

„Jonas." Thomas' Stimme ist ruhig, aber bestimmt. „Erst zuhören, dann reden. So machen wir das hier."

Ich spüre, wie mir die Röte ins Gesicht steigt. Das war nicht der große Auftritt, den ich geplant hatte. Sandra fährt fort, als wäre nichts geschehen. Die anderen machen sich Notizen. Nur Thomas schaut mich nachdenklich an.

Nach der Besprechung hält er mich zurück. „Hey, keine Sorge. Der erste Tag ist immer schwierig."

„Ich wollte nur..."

„Ich weiß." Er lächelt warm. „Du willst was bewegen. Das Königreich Gottes voranbringen, stimmt's? Aber weißt du was? Manchmal bewegt man am meisten, wenn man erstmal stillhält und beobachtet." Er zögert. „Ein paar von uns treffen sich donnerstags in der Mittagspause zum Bibellesen. Wenn du magst..."

Ich nicke automatisch, aber innerlich schüttle ich den Kopf. Thomas ist seit fünf Jahren hier und immer noch ein normaler Berater. Bibellesen in der Mittagspause? Offensichtlich fehlt ihm der Ehrgeiz. Nein, ich werde das anders machen. Morgen, in der Projekt-Präsentation, da werde ich allen zeigen, was in mir steckt.

Auf dem Weg zurück zu meinem Schreibtisch komme ich an der Putzfrau vorbei. Sie wischt den Boden vor dem Fahrstuhl. „Na, Herr Weber", ruft sie mir zu, „schon die Welt verändert?"

Ich antworte nicht. Aber ich habe das Gefühl, dass sie innerlich lacht.

5:15 Uhr. Der Himmel dämmert, als ich durch die leere Tiefgarage zu den Aufzügen eile. Die Präsentation muss perfekt werden. Jedes Detail, jede Zahl, jede...

„Guten Morgen, Herr Weber!"

Erschrocken zucke ich zusammen. Im schwachen Licht erkenne ich die Putzfrau von gestern. Martha Nowak, das steht jedenfalls groß auf einem Namensschild.

„Sie sind ja doch gekommen." Sie lächelt, während sie einen riesigen Müllsack in einen Container wuchtet.

„Ich... äh... wollte noch etwas vorbereiten."

„Natürlich." Sie nickt wissend. „Kommen Sie, ich mach uns einen Kaffee. Den können Sie jetzt bestimmt brauchen."

Bevor ich ablehnen kann, führt sie mich durch einen schmalen Gang in einen kleinen Raum. "Hausmeisterbüro" steht an der Tür. Ein älterer Mann in blauem Arbeitsanzug sitzt am Tisch und repariert eine Schreibtischlampe.

„Peter, schau mal, wer da ist!" Martha klingt regelrecht vergnügt. „Der junge Mann von gestern. Will die Welt verändern."

„Ach?" Peter schraubt konzentriert weiter. „Und, schon was verändert?"

„Ich... also heute..." Ich räuspere mich. „Ich habe gleich eine wichtige Präsentation."

„Mhm." Martha stellt drei Tassen auf den Tisch. Der Kaffeeduft erfüllt den Raum. „Gestern war viel los hier. Kurz vor Feierabend kam die Warnung, dass die Klimaanlage im Serverraum ausgefallen ist. Peter hat es bis Mitternacht behoben. Sonst hätten Sie heute keine funktionierenden Computer." Sie lächelt ihn an.

Peter winkt ab. „Routine.”

Ein schriller Alarm lässt mich zusammenzucken. Peter greift nach seinem Funkgerät. „Aufzug drei steckt fest. Zwei Leute drin." Er steht auf. „Tja, junger Mann. Zeit für wichtige Dinge."

Ich schaue auf die Uhr. 5:45 Uhr. Die Präsentation...

„Gehen Sie nur", sagt Martha sanft. „Ihre Zahlen warten. Aber denken Sie dran: Die wichtigsten Veränderungen passieren oft da, wo keiner hinschaut."

Auf dem Weg zum Büro sehe ich, wie Peter den Aufzug öffnet. Eine verängstigte Reinigungskraft und ein Mann im teuren Anzug steigen aus. „Danke", murmelt der Manager. Peter nickt und macht sich an die Reparatur.

9:00 Uhr. Der Konferenzraum ist voll. Sogar zwei Vorstände sind da. Mehr als nötig für meinen kleinen Beitrag zur Präsentation, denke ich stolz. Aber klar - meine Analyse der Quartalszahlen könnte der Schlüssel sein.

Ich werfe einen letzten Blick auf meine Notizen. Die Zahlen sind wasserdicht, die Argumente schlagend. Gleich werden alle sehen, dass...

„Guten Morgen allerseits." Steinbach steht auf. „Bevor Herr Weber seine Analyse vorstellt, möchte ich Sie über eine Änderung informieren. Die Steinbeiss GmbH hat gestern Abend Insolvenz angemeldet."

Was?

„Das bedeutet", fährt Steinbach fort, „dass sich unsere Projektplanung grundlegend ändert. Es geht nicht mehr um Expansion, sondern um Schadensbegrenzung. Frau Köhler wird uns gleich die Details erläutern."

Wie betäubt starre ich auf meine Präsentation. Stundenlange Arbeit, drei Stunden Schlaf, Aufstehen in aller Herrgottsfrühe – alles sinnlos. Und schlimmer: Meine Empfehlungen gehen in die falsche Richtung.

Sandra Köhler erhebt sich. Sie sieht noch müder aus als gestern. „Danke. Die Situation ist ernst, aber nicht hoffnungslos. Thomas?"

Thomas nickt und öffnet seinen Laptop. „Ich habe die Nacht damit verbracht, mit den Mitarbeitern von Steinbeiss zu sprechen. Die gute Nachricht: Die meisten sind bereit, unter neuer Führung weiterzumachen. Die schlechte: Wir haben nur drei Tage Zeit."

Fassungslos höre ich zu, wie die beiden einen kompletten Rettungsplan aus dem Ärmel schütteln. Während ich Erfolgsszenarien durchrechnete, haben sie sich um die Menschen gekümmert. Während ich von der Führungsetage träumte, haben sie echte Führung gezeigt.

„Noch Fragen?" Steinbach schaut in die Runde. „Gut, dann ans Werk. Ach, Herr Weber..." Er wendet sich mir zu. „Ihre Analyse können Sie uns später zeigen. Jetzt brauchen wir Sie im Krisenteam. Thomas wird Sie einweisen."

Ich nicke stumm. Zum ersten Mal an diesem Morgen bin ich froh, dass ich nicht im Rampenlicht stehe.

Eine Stunde später sitzen wir im Krisenteam zusammen. Thomas telefoniert ununterbrochen, Sandra tippt wild auf ihrem Laptop. Ich versuche, mich nützlich zu machen, aber eigentlich verstehe ich nur die Hälfte von dem, was hier passiert.

Plötzlich wird Sandra blass. "Thomas", sagt sie leise. "Wir haben ein Problem. Ein großes."

Thomas legt auf. "Was ist los?"

"Chen Industries. Steinbeiss' wichtigster Zulieferer." Sie dreht ihren Laptop, damit alle die Mail sehen können. "Sie liefern ab sofort nur noch gegen Vorkasse. Komplette Zahlung bis morgen früh, sonst stoppen sie die Lieferung."

"Wie viel?" fragt Thomas.

"2,4 Millionen."

Thomas starrt sie an. "Das können wir nicht stemmen. Nicht ohne Freigabe vom Vorstand."

"Der Vorstand ist bis morgen auf der Asien-Konferenz," sage ich. "Nicht erreichbar."

Stille im Raum. Ohne die Bauteile von Chen steht die Produktion still. Das wäre das endgültige Aus der Firma. Über 300 Existenzen stehen auf dem Spiel.

Und wir können nichts tun.

Oder?

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Hab’ einen gesegneten Tag
Jörg ““ Peters