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đź”´ Der unsichtbare Dritte
In der Stille zwischen zwei Benachrichtigungen wartet Gott geduldig auf uns
Geschichte
Die Bildschirme im Penthouse-BĂĽro flackern aufgeregt: "99,9% Vorhersagegenauigkeit", verkĂĽndet die KI-Analyse.
Der Unternehmer ballt triumphierend die Fäuste, während er durch die Glasfront auf die Frankfurter Skyline blickt. Endlich - nach Jahren der Entwicklung hatte sein Team den Code geknackt, um menschliches Verhalten perfekt zu prognostizieren.
Fast perfekt.
Seine Augen verengen sich, als er auf die kleine Anomalie in den Daten starrt: Eine winzige, aber hartnäckige Variable, die sich jeder Berechnung entzieht: Der Glaube des Menschen.
Egal wie ausgeklügelt seine Algorithmen sind, egal wie präzise die Verhaltensmuster analysiert werden - eine gewisse Spiritualität, eine Sehnsucht nach dem Göttlichen, bleibt bestehen.
Frustriert ruft er sein Entwicklerteam zusammen. "Wie löschen wir den Glauben an Gott aus den Köpfen der Menschen?", fragt er. "Wir leben im 21. Jahrhundert. Alles ist messbar, berechenbar, optimierbar. Für einen unsichtbaren Gott ist da kein Platz mehr."
Die Vorschläge seiner Team-Leads kommen schnell:
"Lasst uns eine Online-Welt erschaffen, dass die Menschen die reale Welt vergessen", schlägt die Expertin für virtuelle Realität vor. Aber nach kurzer Diskussion wird die Idee verworfen - selbst in künstlichen Welten suchen Menschen nach tieferem Sinn.
"Wir könnten durch Quantencomputing beweisen, dass alles im Universum zufällig entstanden ist", meint der Physiker im Team. Doch auch diese Idee wird abgelehnt - wissenschaftliche Erklärungen konnten den Glauben der Menschen nie vollständig verdrängen.
Sarah Zhang, die dienstälteste Entwicklerin, lächelt bitter. Ihre Finger streichen unbewusst über das Medaillon an ihrer Kette - das letzte Geschenk ihrer Tochter. Seit dem regnerischen Dienstag vor drei Jahren, als ihre Tochter trotz aller verzweifelten Gebete gegen den Krebs verlor, hatte sie aufgehört, Gott zu leugnen.
Stattdessen hatte sie begonnen, ihn zu hassen.
In zwanzig Jahren hatte sie gelernt, wie leicht Menschen zu beeinflussen waren - wenn man die richtigen Algorithmen schrieb.
"Kennt ihr die Geschichte von den zwei Fischen?" fragt sie in die Runde. Verwunderte Blicke antworten.
"Zwei junge Fische schwimmen durchs Meer, da begegnet ihnen ein alter Fisch, der grĂĽĂźt: 'Na, Jungs, wie ist das Wasser heute?' Die beiden schwimmen weiter und nach einer Weile fragt der eine den anderen: 'Was zum Teufel ist Wasser?'"
Sie lässt die Frage wirken. "So ist es mit Gott", ihre Stimme wird hart. "Er ist überall um uns herum, wie das Wasser um die Fische. Und wie die Fische können wir ihm nicht entkommen - es sei denn, wir erschaffen eine neue Realität für die Menschen. Eine digitale Welt, in der sie vergessen, dass sie im Wasser schwimmen. In der sie vergessen, dass sie gefangen sind."
Während Sarah spricht, vibriert ihr Smartphone. Eine Meeting-Erinnerung erscheint, gefolgt von drei WhatsApp-Nachrichten. Ein Twitter-Alert blinkt auf. Ihr Fitnesstracker meldet, dass sie zu lange gesessen hat. Sie schiebt die Benachrichtigungen beiseite.
Während Sarah spricht, vibriert ihr Smartphone pausenlos. Eine Flut von Benachrichtigungen flutet den Bildschirm. Sie lächelt grimmig.
"Seht ihr das?", fragt sie und hält ihr Handy hoch. "Jede dieser Nachrichten ist wie eine digitale Welle, die das Wasser trübt. Je mehr wir erzeugen, desto schwerer wird es für die Menschen, durch die Oberfläche zu sehen. Bis sie vergessen, dass da überhaupt etwas zu sehen war."
Als würde der Widersacher ihren Punkt unterstreichen wollen, ertönen in diesem Moment fünf verschiedene Klingeltöne im Konferenzraum. Reflexartig greifen alle zu ihren Smartphones. Nur Sarah lehnt sich zurück und beobachtet, wie ihre Kollegen für einen Moment in ihre Bildschirme versinken.
"Ich verstehe die Metapher", sagt die Psychologin des Teams und lehnt sich vor. "Was bewirkt die permanente Vernetzung mit unserer Spiritualität?"
Sarah dreht ihr Smartphone um, sodass der Bildschirm nach unten zeigt. "Drei Dinge", sagt sie. "Erstens: Unsere Aufmerksamkeitsspanne schrumpft. Früher konnten Menschen stundenlang in Kontemplation versinken. Heute werden wir alle acht Minuten von einer Nachricht unterbrochen. Wie sollen sie Gottes leise Stimme hören, wenn sie nicht mal fünf Minuten still sein können?"
Sie hält kurz inne, als mehrere Teammitglieder unwillkürlich auf ihre Smartphones schauen. "Zweitens: Wir verlieren die Fähigkeit zur Tiefe. Alles ist schnell und dadurch oberflächlich. Ein Emoji statt eines tiefgründigen Gesprächs. Ein Like statt echter Anteilnahme. Eine WhatsApp statt einem Telefongespräch."
"Und drittens?", fragt der Unternehmer, der zum ersten Mal sein Tablet beiseite legt.
"Drittens: Wir leben in einer Welt voller Ablenkung. Jede freie Sekunde füllen wir damit. Spirituelle Erkenntnisse kommt aber in leeren Momenten. In Stille. In Langeweile. Wenn wir aushalten, einfach nur da zu sein.” Sie verzieht das Gesicht. “Wenn wir IHN aushalten".
Der Unternehmer lächelt triumphierend. "Perfekt!", sagt er. "Wenn die Menschen so beschäftigt sind, dass sie die wahren Momente des Lebens nicht wahrnehmen, vergessen sie Gott."
Das Projekt startet sofort. Algorithmen werden optimiert, um Menschen tiefer in die digitale Welt zu ziehen. Social Media wird süchtig machender, Benachrichtigungen häufiger, virtuelle Beziehungen oberflächlicher.
Und Menschen verändern sich.
Zwei Jahre ist das jetzt her.
Sarah steht am Fenster des Penthouse-BĂĽros, ihr Smartphone ausgeschaltet in der Schreibtischschublade. Die Algorithmen, die sie erschaffen hat, funktionieren perfekt - zu perfekt. Millionen Menschen gleiten Tag fĂĽr Tag tiefer in den digitalen Strudel.
Mit zitternden Fingern öffnet sie das Medaillon. Das Lächeln ihrer Tochter strahlt ihr entgegen - dasselbe Lächeln, das sie an jenem regnerischen Dienstag noch hatte, als die Maschinen zum letzten Mal piepten.
Sarah hält den Atem an, Tränen steigen ihr in die Augen.
Die Stille im Büro ist greifbar. Kein Smartphone-Summen. Keine E-Mail-Alerts. Zum ersten Mal seit Jahren hört sie wieder ihre eigenen Gedanken.
Und genau in diesem Moment spĂĽrt sie IHN.
Nicht als donnernde Stimme oder blendendes Licht.
Einfach und leise in der Stille zwischen zwei Atemzügen. In der Wärme der Erinnerung. In der Liebe, die den Tod überdauert.
Hastig klappt sie das Medaillon wieder zu.
Er ist da.
Wie das Wasser um die Fische.
“Denn in ihm (Gott), dessen Gegenwart alles durchdringt, leben wir, bestehen wir und sind wir.”
Vielen Dankf für die Rückmeldungen zu der Andacht vom Freitag. Die meisten finden es am besten, wenn die Bibelverse voll ausgeschrieben im Text stehen. Und dann werde ich das auch gerne so machen 🙂
Hab’ einen gesegneten Tag
Jörg “heut erst dreimal aufs Handy geschaut“ Peters