🔴 Das Erbe

Geschichte

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war und von einem Mann entdeckt wurde. Der Mann freute sich so sehr, dass er, nachdem er den Schatz wieder vergraben hatte, alles verkaufte, was er besaß, und dafür den Acker kaufte.

Matthäus 13,44 (Neue Genfer Übersetzung)

"Das Haus geht an Marie, das Sparkonto an Peter..."

Der Notar räuspert sich. "Und für Sarah..." Er macht eine Pause, blättert in seinen Unterlagen. Sarah hält den Atem an. Nach all den gescheiterten Versuchen, schwanger zu werden, könnte sie das Geld für eine weitere Behandlung wirklich gebrauchen.

"Für Sarah ist hier eine Bibel hinterlegt."

Die anderen Anwesenden werfen ihr mitleidige Blicke zu. Sarah starrt auf das abgegriffene Buch, das der Notar ihr reicht. Eine alte Bibel? Sie hatte ihrer Großmutter mehr bedeutet als das.

Mit zitternden Fingern streicht sie über den verschlissenen Einband. Der charakteristische Geruch nach altem Leder und vergilbtem Papier erinnert sie an Omas Wohnzimmer. Doch statt Trost empfindet sie nur Bitterkeit. Noch eine Enttäuschung.

Seit fünf Jahren versuchen Tom und sie verzweifelt, ein Kind zu bekommen. Unzählige Arztbesuche, drei gescheiterte künstliche Befruchtungen und eine Fehlgeburt später steht morgen der finale Termin an. "Mit 35 tickt die biologische Uhr", hatte der Spezialist gesagt. "Wir müssen realistisch sein."

Zu Hause legt Sarah die Bibel auf den Küchentisch. Sie sollte sie einfach zu den anderen Büchern stellen. Doch ihre Hand verharrt vor dem Regal. Etwas hält sie zurück.

Als sie das Buch noch einmal öffnet, gleitet ein vergilbter Umschlag heraus. Ihr Herz macht einen Sprung, als sie Omas unverwechselbare Handschrift erkennt: "Für Sarah, wenn ich nicht mehr da bin".

Mit bebenden Fingern öffnet sie den Umschlag. Der vertraute Lavendelduft ihrer Großmutter steigt ihr in die Nase.

"Liebes Kind", liest sie, "du wunderst dich sicher über mein Erbe. Aber in dieser Bibel findest du meinen wertvollsten Besitz. Und er soll dir gehören. Folge den Markierungen."

Sarah lässt sich auf einen Stuhl sinken. Was hatte Oma ihr da hinterlassen? Vorsichtig, fast ehrfürchtig, beginnt sie zu blättern. Die Seiten rascheln unter ihren Fingern wie ein leises Flüstern aus der Vergangenheit.

Seite um Seite enthüllt sich Omas Leben in handgeschriebenen Notizen. Sarah streicht über die verblasste Tinte, spürt die Vertiefungen, wo der Stift das Papier berührt hatte. Plötzlich stockt ihr Atem. Eine Eintragung von vor 36 Jahren lässt ihre Hände zittern:

"Martha war heute beim Arzt." Omas sonst so gleichmäßige Schrift wirkt hier verwackelt. "Keine Chance auf Kinder, sagen sie. Aber ich vertraue auf dich, Herr!" Daneben, unterstrichen und mehrfach eingekreist: "Ich bin der HERR, der Gott über alle Menschen. Nichts ist für mich unmöglich!" (Jeremia 32,27)

Ihr Herz beginnt zu rasen. Die nächsten Einträge ziehen sie tiefer in die Geschichte: "Tag 147 - Weiter beten." "Tag 298 - Manchmal zweifle ich..." "Tag 300 - Martha ist schwanger! Gepriesen sei der Herr!"

Dann, Monate später, in großen, freudigen Buchstaben: "Sarah wurde heute geboren. 3200g, gesund und perfekt. Unser Wunder!"

Die Worte verschwimmen vor ihren Augen. Martha - ihre Mutter. Die Ärzte hatten damals gesagt, es sei unmöglich. Sarah - sie selbst! - war das "unmögliche" Kind gewesen. Ein ersticktes Schluchzen entringt sich ihrer Kehle, als die Erkenntnis sie trifft.

Mit zitternden Fingern blättert sie weiter. Bei Matthäus 13,44 fällt ihr Blick auf Omas letzte Eintragung. Die Tinte ist noch frisch, der Eintrag kann nur wenige Tage vor ihrem Tod entstanden sein:

"Meine geliebte Sarah - ich weiß um deine Kämpfe und Tränen. Dieser Schatz hat mich durch die dunkelsten Stunden meines Lebens getragen. Durch die Zeit, als deine Mutter noch nicht geboren war. Durch Opas frühen Tod. Durch deine schwere Geburt. Er wird auch dich tragen, mein Engelchen. Was bei Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich."

Eine Erinnerung durchzuckt sie: Oma, die sie als Kind "Engelchen" nannte. Die ihr immer Mut machte. Die bis zum Schluss für sie gebetet hatte.

Sarah drückt die Bibel an ihre Brust. Sie spürt Omas Gegenwart, als wäre sie noch hier. Der Lavendelduft, die vertraute Handschrift, die jahrelangen Gebete - alles verbindet sich zu einem kostbaren Vermächtnis.

Morgen würden Tom und sie die Testergebnisse abholen. Aber heute Nacht würden sie gemeinsam beten.

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Hab’ einen gesegneten Tag
Jörg “wir schauen auf IHN“ Peters