🔴 Ein Bauer und seine 100 Hühner

Von falschen Experten und echten Verlusten - eine Parabel über blindes Vertrauen

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In der heutigen Ausgabe:

  • Geschichte: Ein Bauer und seine 100 Hühner

Geschichte

Ein Bauer und seine 100 Hühner

Jeden Morgen, noch bevor die Sonne aufgeht, schlurft der alte Bauer Wilhelm mit einem Eimer voller Körner zu seinem Hühnerstall.

Das vertraute Gackern seiner hundert Hühner lässt sein Herz höher schlagen. "Guten Morgen, meine Schönen!", ruft er laut. Gertrud, seine Lieblingshenne, pickt wie immer als erste nach den Körnern. Seit dem Tod seiner Frau vor drei Jahren sind diese Tiere seine einzige Familie.

An einem eisigen Wintermorgen knirscht der Schnee unter seinen abgetretenen Stiefeln. Schon beim Öffnen der Stalltür spürt Wilhelm, dass etwas nicht stimmt - es ist zu still. Und tatsächlich, sein schlimmster Albtraum wird wahr: Elf seiner Hühner liegen leblos am Boden, darunter auch seine geliebte Gertrud.

"Nein, nein, nein...", murmelt er verzweifelt und tastet nach dem Puls der Tiere, obwohl er weiß, dass es zu spät ist. In seiner Panik erinnert er sich an die Visitenkarte eines "Tierexperten", die ihm letzte Woche im Dorfladen zugesteckt wurde.

Mit zitternden Fingern wählt er die Nummer. Eine Stunde später steht der selbsternannte Experte vor ihm - ein Mann in maßgeschneidertem Anzug, dessen goldrandige Designerbrille mehr kostet als Wilhelms gesamte Garderobe. Er wirft einen flüchtigen Blick in den Stall, bleibt ungerührt beim Anblick der toten Tiere und verkündet mit der Selbstsicherheit eines Showmasters: "Allen überlebenden Hühnern müssen Sie sofort Aspirin geben!"

Wilhelm befolgt den Rat und verabreicht seinen Hühnern das Aspirin. Zwei Stunden später fällt er müde ins Bett. Die ganze Nacht liegt er wach, lauscht dem Wind und betet, dass seine verbliebenen Hühner überleben. Doch der Albtraum geht weiter. Als er am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe den Stall betritt, stockt ihm der Atem: Weitere 19 liegen leblos im Stroh.

Seine Hände beginnen zu zittern, kalter Schweiß tritt ihm auf die Stirn.

Mit brüchiger Stimme ruft er den Experten an. Der schüttelt den Kopf, macht ihm dann aber Mut. Selbstbewusst verkündet er mit lauter Stimme: "Aber natürlich! Die Hühner benötigen Rizinusöl!"

“Rizinusöl?”

“Geben Sie den Hühnern Rizinusöl!”

Wilhelm seufzt. Dann schleppt er das Rizinusöl herbei, seine arthritischen Finger zittern beim Verabreichen der Medizin. Über zwei Stunden dauert die Prozedur. In dieser Nacht plagen ihn Albträume von sterbenden Hühnern. Als er im Morgengrauen zum Stall taumelt, bestätigt sich seine düstere Vorahnung: Weitere 27 haben ihr Leben ausgehaucht. Die wenigen Überlebenden drängen sich ängstlich in einer Ecke zusammen, ihre sonst so lebhaften Augen matt und verängstigt.

Wilhelms Herz zieht sich schmerzhaft zusammen.

Der Experte winkt am Telefon ungeduldig ab. "Unmöglich! Sie müssen etwas falsch gemacht haben. Ich komme sofort vorbei - natürlich gegen eine kleine Aufwandsentschädigung."

Wenig später inspiziert er den Stall, leuchtet den Hühnern mit seinem 1000-Euro-iPhone in die Augen und unter die Bürzeldrüse, drückt mal hier und zieht mal da, um dann mit selbstbewusstem Lächeln und theatralischer Geste das Ergebnis seiner Untersuchung mitzuteilen: "Kein Problem! Die Hühner brauchen Penicillin!"

Seine Stimme trieft vor Zuversicht und strahlt Autorität aus - als würde der Weihnachtsmann persönlich Diät-Tipps verteilen.

Mit der Kraft der Verzweiflung und letzter Hoffnung befolgt Wilhelm auch diesen Rat. Nachts bekommt er kein Auge zu, sitzt nur auf seinem verschlissenen Küchenstuhl und starrt durch das Fenster zum Stall.

Als er am nächsten Morgen mit bangem Herzen die quietschende Stalltür öffnet, findet er auch die letzten 43 Hühner leblos im Stroh. Mausetot. Die Stille im Stall ist überwältigend.

Gebrochen und mit letzter Kraft ruft er ein letztes Mal den Experten an.

“Wie außerordentlich bedauerlich”, säuselt dieser, während im Hintergrund eine Frau kichert: “Schatz, mit wem sprichst du? Der Champagner wird warm.”

Die Leitung knistert in einer kurzen, schweren Stille.

Dann, mit der geschäftigen Munterkeit eines Autoverkäufers: “Aber wissen Sie was? Ich habe noch viele andere Mittel für Ihre nächsten hundert Hühner!”

Die Geschichte von Wilhelm und seinen Hühnern erinnert uns daran, dass Weisheit sich nicht in großen Worten und teuren Accessoires zeigt, sondern in ehrlicher Sorge und echtem Mitgefühl. Die Furcht des Herrn ist der Beginn aller Weisheit …

Lass uns diese Woche besonders aufmerksam sein für die stillen Helfer in unserem Leben - die, die nicht mit Lösungen hausieren gehen, sondern mit offenem Herzen zuhören.

Oder - noch besser! - lass uns einer dieser stillen Helfer sein.

Jörg “morgen gibt es Plan B“ Peters

P.S. Wenn du mir eine Rückmeldung geben möchtest (was sehr schön wäre), dann kannst du das zum Beispiel über dieses lockere Formular tun.